Minimals
Trotz der Entfesselung des gestalterischen Ausdruckswesens, das geradezu hysterisch Formen generiert, bleibt eines nahezu unberührt, die Referenzen, auf welche sich das stete Neuentwerfen bezieht. Interessanterweise sind es Konventionen, die ihren Ursprung in der vorindustriellen Zeit haben, an denen (nach wie vor) Maß genommen wird. Die möblierten Rituale kultureller Übereinkunft gelten als verbindlich und lassen sich nicht revolutionieren, sondern entwickeln sich, wenn, dann eher evolutionär. Zwar erscheinen mit den elektronischen Medien Dinge, für die sich schwerlich Vorbilder finden lassen, aber es scheint die Hoffnung, die sich anschließt und gleich an einen Quantensprung kultureller Entwicklung denken lässt, zu kurz gefasst. Auch wenn sich diese Dinge in erstaunlichem Maß als unabdingbare Prothesen der Alltagsbewältigung gerieren, so verändern sie den Gestus, aber nicht unseren Horizont. Es lässt sich schwerlich ein räumliches Konzept ohne formhafte Struktur vorstellen – auch die »reine« Form kommt nicht ohne die Hülle aus. Zum Nachbilden gehört das Vor-Bild. Dennoch lassen sich formale Aspekte zugunsten einer Idee zurückdrängen. Das formale Konzept wird so zur tragenden Struktur, zum Gerüst, auf dem die Idee gut sichtbar steht. »Minimals« verstehen sich als ein mögliches Korrektiv zur diffusen Fortschrittsprogrammatik im Design, die sich unbeirrt an die Manipulation der Oberfläche hält. Sie stehen nicht für ein reines »Weniger-ist-mehr«, das die Kohärenz zwischen Form und Inhalt in der Reduktion sucht, sondern schlicht für Orientierung an und die Betonung der, den Dingen zugrunde liegenden Entwicklungsmotiven. Darüber hinaus sind »Minimals« Beispiele für einen gerade noch möglichen Zugriff auf die Verhältnisse vor Ort, gemeint ist die Wohlstandsnot, die, neben dem Verlust von tradiertem Wissen, es immer unwahrscheinlicher macht, dass Dinge hier erdacht werden und auch entstehen können. Gezeigt werden drei unterschiedliche Themen, die eines verbindet, sie rühren an Konventionen, an eingeschliffenen Sehgewohnheiten. Sie möblieren nicht einfach nur, sondern liegen dazwischen, zwischen einer konkreten Funktion und einer funktionierenden Idee. Roh skizziert in einem Material das flächig Raum greift und sich ähnlich indifferent verhält wie die Idee selbst – zwischen Objekt und Objektvorstellung.
Nagelbild Tattoo-Stempel _Die Tätowierung als Zeichen und schmerzhaftes Ritual der Initiierung ist nun lediglich zeitgeistabhängige Attitüde, die auf tragische Weise den Gezeichneten mit einer Welt verknüpft, die schon durch und im Moment der Einschreibung nach anderen Formen des Ausdrucks sucht. Der Nagelstempel ist eine elegante Variante der Bezeichnung: die vollkommene Simulation der Verletzung in zweierlei Hinsicht und überdies rückstandslos entfernbar.
Zweier Haken _ Der Nagel steht über die eigentliche Funktion als verbindendes Element im konstruktiven Sinne, für eine erste territoriale Verbindung: Handwerker, die eine Baustelle einrichten, schlagen, als erste Geste der Inbesitznahme, also als erste Einrichtungsmaßnahme, wenn auch auf Zeit, Garderoben-Nägel in die Wand.
Platzhalter Tisch & Stuhl I _ Gegenstand und Gegenstandsvorstellung, gleichermaßen bloße Chiffre und funktionales Objekt. Tisch und Hocker, die Archetypen des Sesshaften, in Klappversion. Platz sparend 2-dimensional, flach an der Wand hängend, nehmen sie bereits bildhaft das 3-dimensionale Objekt vorweg, sind Raumprojektionen. Ein die Sehgewohnheiten irritierendes Spiel mit der alten Frage nach der »Wirklichkeit« bzw. der »Verbindlichkeit« der Dinge und ein Verweis auf die Differenz zwischen Urbild und Abbild. Es sind Zusatzmöbel, in Wartestellung sich selbst repräsentierend, bei Bedarf schnell zur Hand und durch einfaches Stecken der Beine instand gesetzt.
Zwischenstücke Tisch & Stuhl II _ In der Gegenüberstellung werden die Verhältnisse klar. Und das Verhältnis entscheidet über die Frage von klein oder groß zum Beispiel. Je nachdem. Allerdings sind wir auf die Stabilität mancher Verhältnisse angewiesen und laufen Gefahr durch eine Infragestellung auf der bloßen Grundlage des Anything-Goes die Verhältnismäßigkeit und damit die Orientierung aufs Spiel und uns zwischen die Stühle zu setzen. Testszenario bestehend aus mindestens zwei Teilen, ungefährlich, altersübergreifend und alltagstauglich.
Lachaise Chaiselongue _ Das Vorbild des Vorbildes zum Vorbild. In einer Endlosschleife vollzieht sich der Rückgriff im nach vorne greifen. Das Sampeln als Methode hat die (Re-)Organisation der Dinge erreicht. Nachdem das Feld der originären Zeichen ausgebeutet und damit leer ist – die Zeichensysteme einer Kultur sind endlich – operieren wir nun auf der nächstmöglichen Ebene der Differenzierung (auf Kosten des Signifikanz). Auf die Kultur des Originären folgt die der Collage. »Lachaise« ist einerseits ein den Sehgewohnheiten unserer Zeit angepasstes Objekt: Es gibt sich im Vorübergehen, es reicht der potemkinsche Eindruck. Andererseits entspricht es dem derzeit gerade vorherrschenden Geschmack der kulturellen Elite und darüber hinaus ist es wie die Vorbilder ein Objekt mit Authentizitätspotential.
Einzelausstellung im Rahmen des »Designmai 2004« in der Galerie »mata mata«in Berlin
Minimals
Trotz der Entfesselung des gestalterischen Ausdruckswesens, das geradezu hysterisch Formen generiert, bleibt eines nahezu unberührt, die Referenzen, auf welche sich das stete Neuentwerfen bezieht. Interessanterweise sind es Konventionen, die ihren Ursprung in der vorindustriellen Zeit haben, an denen (nach wie vor) Maß genommen wird. Die möblierten Rituale kultureller Übereinkunft gelten als verbindlich und lassen sich nicht revolutionieren, sondern entwickeln sich, wenn, dann eher evolutionär. Zwar erscheinen mit den elektronischen Medien Dinge, für die sich schwerlich Vorbilder finden lassen, aber es scheint die Hoffnung, die sich anschließt und gleich an einen Quantensprung kultureller Entwicklung denken lässt, zu kurz gefasst. Auch wenn sich diese Dinge in erstaunlichem Maß als unabdingbare Prothesen der Alltagsbewältigung gerieren, so verändern sie den Gestus, aber nicht unseren Horizont. Es lässt sich schwerlich ein räumliches Konzept ohne formhafte Struktur vorstellen – auch die »reine« Form kommt nicht ohne die Hülle aus. Zum Nachbilden gehört das Vor-Bild. Dennoch lassen sich formale Aspekte zugunsten einer Idee zurückdrängen. Das formale Konzept wird so zur tragenden Struktur, zum Gerüst, auf dem die Idee gut sichtbar steht. »Minimals« verstehen sich als ein mögliches Korrektiv zur diffusen Fortschrittsprogrammatik im Design, die sich unbeirrt an die Manipulation der Oberfläche hält. Sie stehen nicht für ein reines »Weniger-ist-mehr«, das die Kohärenz zwischen Form und Inhalt in der Reduktion sucht, sondern schlicht für Orientierung an und die Betonung der, den Dingen zugrunde liegenden Entwicklungsmotiven. Darüber hinaus sind »Minimals« Beispiele für einen gerade noch möglichen Zugriff auf die Verhältnisse vor Ort, gemeint ist die Wohlstandsnot, die, neben dem Verlust von tradiertem Wissen, es immer unwahrscheinlicher macht, dass Dinge hier erdacht werden und auch entstehen können. Gezeigt werden drei unterschiedliche Themen, die eines verbindet, sie rühren an Konventionen, an eingeschliffenen Sehgewohnheiten. Sie möblieren nicht einfach nur, sondern liegen dazwischen, zwischen einer konkreten Funktion und einer funktionierenden Idee. Roh skizziert in einem Material das flächig Raum greift und sich ähnlich indifferent verhält wie die Idee selbst – zwischen Objekt und Objektvorstellung.
Nagelbild Tattoo-Stempel _Die Tätowierung als Zeichen und schmerzhaftes Ritual der Initiierung ist nun lediglich zeitgeistabhängige Attitüde, die auf tragische Weise den Gezeichneten mit einer Welt verknüpft, die schon durch und im Moment der Einschreibung nach anderen Formen des Ausdrucks sucht. Der Nagelstempel ist eine elegante Variante der Bezeichnung: die vollkommene Simulation der Verletzung in zweierlei Hinsicht und überdies rückstandslos entfernbar.
Zweier Haken _ Der Nagel steht über die eigentliche Funktion als verbindendes Element im konstruktiven Sinne, für eine erste territoriale Verbindung: Handwerker, die eine Baustelle einrichten, schlagen, als erste Geste der Inbesitznahme, also als erste Einrichtungsmaßnahme, wenn auch auf Zeit, Garderoben-Nägel in die Wand.
Platzhalter Tisch & Stuhl I _ Gegenstand und Gegenstandsvorstellung, gleichermaßen bloße Chiffre und funktionales Objekt. Tisch und Hocker, die Archetypen des Sesshaften, in Klappversion. Platz sparend 2-dimensional, flach an der Wand hängend, nehmen sie bereits bildhaft das 3-dimensionale Objekt vorweg, sind Raumprojektionen. Ein die Sehgewohnheiten irritierendes Spiel mit der alten Frage nach der »Wirklichkeit« bzw. der »Verbindlichkeit« der Dinge und ein Verweis auf die Differenz zwischen Urbild und Abbild. Es sind Zusatzmöbel, in Wartestellung sich selbst repräsentierend, bei Bedarf schnell zur Hand und durch einfaches Stecken der Beine instand gesetzt.
Zwischenstücke Tisch & Stuhl II _ In der Gegenüberstellung werden die Verhältnisse klar. Und das Verhältnis entscheidet über die Frage von klein oder groß zum Beispiel. Je nachdem. Allerdings sind wir auf die Stabilität mancher Verhältnisse angewiesen und laufen Gefahr durch eine Infragestellung auf der bloßen Grundlage des Anything-Goes die Verhältnismäßigkeit und damit die Orientierung aufs Spiel und uns zwischen die Stühle zu setzen. Testszenario bestehend aus mindestens zwei Teilen, ungefährlich, altersübergreifend und alltagstauglich.
Lachaise Chaiselongue _ Das Vorbild des Vorbildes zum Vorbild. In einer Endlosschleife vollzieht sich der Rückgriff im nach vorne greifen. Das Sampeln als Methode hat die (Re-)Organisation der Dinge erreicht. Nachdem das Feld der originären Zeichen ausgebeutet und damit leer ist – die Zeichensysteme einer Kultur sind endlich – operieren wir nun auf der nächstmöglichen Ebene der Differenzierung (auf Kosten des Signifikanz). Auf die Kultur des Originären folgt die der Collage. »Lachaise« ist einerseits ein den Sehgewohnheiten unserer Zeit angepasstes Objekt: Es gibt sich im Vorübergehen, es reicht der potemkinsche Eindruck. Andererseits entspricht es dem derzeit gerade vorherrschenden Geschmack der kulturellen Elite und darüber hinaus ist es wie die Vorbilder ein Objekt mit Authentizitätspotential.
Einzelausstellung im Rahmen des »Designmai 2004« in der Galerie »mata mata«in Berlin














